„Die ganze Woche Kotau machen und grinsen“

Viktor Hacker, Türsteher in St. Pauli und Buchautor, schildert auf ZEIT online seine Erfahrungen mit bestimmten Berufsgruppen, die St. Pauli besuchen: „Die müssen .. schon die ganze Woche Kotau machen und grinsen. Am Wochenende wollen die sich endlich mal gehen lassen. Und dann kommt schon wieder einer und mahnt sie zur Ordnung. Das nehmen die nicht gut auf. Die sind dann oft pampig oder auch mal aggressiv.

Tja, eine Frage, die sich Mancher immer wieder selbstkritisch stellt: Mach‘ ich gerade einen Kotau? Und wenn ja: Will ich das?

„Seinen Kotau machen“

Den „Kotau“ sehen Sie oben auf dem Titelfoto.  Es zeigt den ehrerbietigen, sich unterwerfenden Gruß im Kaiserreich China. Das sprichwörtliche „seinen Kotau machen“ bedeutet im deutschen Sprachraum dagegen: „Ich gebe nach, obwohl ich es anders sehe.“ – mit deutlich negativem Beigeschmack.

Nachgeben kann gute Gründe haben

Nun verdient nicht jedes Nachgeben diese Abwertung. Es kann gute Gründe dafür geben, eine Meinungsverschiedenheit nicht auszutragen und statt dessen einseitig nachzugeben. Systeme wie Feuerwehr oder Armee etwa können ihre Aufgaben nur erfüllen, weil in kritischen Situationen Anweisungen ohne Diskussion zuverlässig und schnell befolgt werden.

Auch die Pflege einer Beziehung kann ein guter Grund sein, nachzugeben: Wenn Ihre Mutter gerade von einer Krankheit genesen ist und die Familie zum ersten Mal wieder zu selbstgebackenem Kuchen einlädt, ist das kaum der passende Zeitpunkt, um auf ihre Frage: „Schmeckt’s?“ zu antworten: „War schon mal besser.“ Private und berufliche Beziehungen aller Art gelingen eben eher, wenn die Beteiligten auch mal (ihre persönlichen) „Fünfe gerade sein lassen“ können.

Dauer-Kotau – das schleichende Gift

Tückisch wird es erst, wenn das Nachgeben zur Handlungsmaxime wird, ohne dass Ihre guten Gründe Ihr Nachgeben tragen. Dann wird es Spuren hinterlassen, die Sie selbst und Ihre Beziehungen zur Umwelt in eine Richtung gestalten, die Sie sich nicht wünschen.

Wenn zum Beispiel Ihre Familie nach Jahren nicht mehr bereit ist, Ihre – auch infolge Dauer-Kotaus – ständig gereizte Stimmung im Privatleben zu ertragen, könnte es zu spät sein für einen Neuanfang. Ein Neustart wird umso schwerer, wenn Sie den Dauer-Kotau nach vielen Jahren der Gewohnheit vielleicht nicht einmal mehr wahrnehmen, geschweige denn als Mitursache Ihres familiären Problems erkennen.

Der Check: Tragen Ihre Gründe Ihr Nachgeben noch?

Es macht einen großen Unterschied, ob Ihre eigenen guten Gründe Ihr Nachgeben noch tragen oder nicht. Wenn Ihr Nachgeben Sie immer mehr innere Energie kostet, haben sich Ihre ursprünglich guten Gründe auch für Sie selbst überholt.

Wenn Sie das einmal gezielt prüfen wollen, können die folgenden sieben Schritte Sie leiten. Scheuen Sie sich nicht, ehrlich zu sein. Und seien Sie bitte möglichst konkret – nur so können Sie Klarheit gewinnen:

  1. In welchen Situationen stimme stets zu, gleich welcher Meinung ich selbst bin?
  2. Was erhoffe ich mir von meinem Nachgeben, beruflich und privat: In zehn Minuten, in zehn Monaten, in zehn Jahren?
  3. Welche meiner bisherigen Erfahrungen nähren diese Erwartungen?
  4. Was könnte ich durch dieses Verhalten verlieren, beruflich und privat: In zehn Minuten, in zehn Monaten, in zehn Jahren?
  5. Welche meiner bisherigen Erfahrungen nähren diese Befürchtungen?
  6. Die Bilanz: Hat mein Verhalten für mich noch ausreichend gute Gründe? Möchte ich es also fortsetzen? Wenn nicht:
  7. Wo genau möchte ich statt dessen künftig öfter meinen Standpunkt vertreten?

Sie können diesen Schritte auch nutzen, wenn Sie das andere Extrem einmal reflektieren wollen:

  1. In welchen Situationen will ich mich stets durchsetzen?
  2. – 7. … (wie oben)

Viel Erfolg bei Ihren Erkundungsreisen!

kjldsf

Fotonachweis: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Yamen-sitzung.jpg

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